Parasiten bei Landschildkröten

Diese Infoseite ersetzt keinen Tierarztbesuch.

Kein Anspruch auf Vollständigkeit, Angaben ohne Gewähr!

Medikamente nur nach tierärztlicher Anweisung verabreichen!

Grundlage meiner Recherche sind Fachliteratur (durch Nummern in Klammern gekennzeichnet), Vorträge auf Fachtagungen, Gespräche mit den unten genannten Veterinären und Schildkrötenexperten, die Ausstellung „Parasiten“ im Forschungsmuseum Schöningen, Erfahrungsberichte aus 18 Jahren Administration und Moderation in Schildkrötenforen und Labor-Befunde von fremden und eigenen Schildkröten. 

Das komplexe Universum der Parasiten ist rätselhaft, erstaunlich und zu großen Teilen unerforscht. Das führt unter Experten zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen, was zum Beispiel Notwendigkeit einer Entwurmung oder deren Vorgehensweise betrifft. Die folgenden Informationen werden hoffentlich dazu beitragen, Angst und Panik abzubauen. Denn je mehr man über ein Phänomen weiß, desto mehr verliert es seinen Schrecken. Eurem Tierarzt könnt ihr auf Grundlage der Infos präzise Fragen stellen.

Mehrzellige Endoparasiten: Nematoden

Oxyuren 

(= Oxyuriden = Madenwürmer = Priemenschwänze = Rundwürmer)

Aussehen: 2 - 12mm lange weiße Würmchen, an beiden Enden spitz zulaufend

Häufigkeit: Sehr häufig, in der Natur sind 100% der Europäischen Landschildkröten infiziert (2a), in Gefangenschaft sind es 70-90% (8,11,14)

Oxyuren-Ei unterm Mikroskop

Mit Oxyuren infizierte Schildkröten zeigen in der Regel keine Krankheitssymptome. Die Würmer werden je nach Befallsstärke als Parasiten (schädlich), Kommensalen (harmlos) oder sogar als Symbionten (nützlich) eingestuft. Als nützliche Darmbewohner sind sie an der Produktion von Vitamin K2 (11) und an der Stärkung des Immunsystems beteiligt (19). 

Als Begleiterscheinung einer Krankheit, bei Immunschwäche, Stress oder auch ohne äußerlich erkennbaren Grund können sich Oxyuren sprunghaft vermehren und es kann zu einem gefährlichen Massenbefall kommen. Mögliche Folgen:

• Störung der Calciumresorption (19,14)
• Darmentzündung
  
• Magen-Darm-Blockade durch Verknäulung (2,8) besonders während der Überwinterung 

Bei  Todesfällen im Zusammenhang mit Oxyuren kann in der Regel nicht geklärt werden, ob die Oxyuren die Todesursache oder nur die Begleiterscheinung der Krankheit waren, die zum Tode geführt hat.

                  Vorbeugung: 

Faserreiche Kost beugt übermäßigem Wurmbefall vor (1, 20). 

Ballaststoffarmes Futter (Salat) und zuckerhaltiges Futter (Obst) fördern die Vermehrung von Oxyuren.

Die Notwendigkeit einer Entwurmung wird von tierärztlicher Seite unterschiedlich eingeschätzt. Bei Massenbefall wird eine Entwurmung dringend empfohlen (8). Auch bei mittelgradigem Befall empfehlen viele Tierärzte eine Entwurmung. 

Vor der Entwurmung steht die Kotanalyse in einem Labor oder beim Tierarzt. Ein negativer Befund bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass die Schildkröte wurmfrei ist. Es kann auch bedeuten, dass in der eingereichten Portion aktuell keine Eier vorhanden sind, denn Eier und Würmer werden schubweise ausgeschieden. 

Labore:

Fr.Dr.Blahak https://cvua-owl.de/tiergesundheit/reptilien  

Exomed https://www.exomed.de/

Die Entwurmung ist idealerweise im Spätsommer durchzuführen,  so lange die Schildkröte voll aktiv ist und sich noch nicht auf die Überwinterung vorbereitet. Wenn abgestorbene Würmer während der Winterstarre im Darm verbleiben, kann es zu Darmentzündungen und Vergiftungen kommen.

Ascariden (Spulwürmer)

Aussehen: spaghettiförmige weiße Würmer, bis zu 12cm lang

Häufigkeit: Mäßig häufig. In der Natur sind ca.50% der europäischen Landschildkröten infiziert (2a). Spulwürmer sind wirtsspezifisch. In Landschildkröten parasitiert ausschließich die Art Angusticaecum holopterum. Katzen oder Hunde können also keine Spulwürmer auf Schildkröten übertragen.  

SPULWÜRMER SIND GEFÄHRLICH! 

Die Larven des Spulwurms gelangen über die Blutbahn in Leber und Lunge. Die Würmer bohren sich durch die Darmwand Und wandern durch den Körper. Mögliche Folgen:

• Verletzung und Entzündung der Organe
• Magen-Darm-Blockade durch Verknäulung 
• Nährstoffentzug    

Bei Spulwürmern grundsätzlich entwurmen!

Kopf eines Spulwurms (19)

Die Behandlung von Nematoden (Oxyuren und Ascariden):

Wirkstoff  (Handelsname)  Wirkungsweise

Fenbendazol      

(Panacur)

Relativ milde Wirkung: Würmer, Larven und Eier werden über einen Zeitraum von bis zu 31 Tagen ausgeschieden (5) Würmer, Larven und Eier werden nur teilweise abgetötet. Sie verlassen den Darm auch lebend oder gelähmt. 

Die Eier werden in der Regel lebend ausgeschieden und oft mit dem Fressen oder Trinkwasser oral wieder aufgenommen, sodass der Entwicklungsyklus von neuem beginnt.

In den meisten Fällen wird nach der ersten Verabreichung eine Wiederholungsbehandlung nach 10 - 14 Tagen verordnet. Einige auf Reptilien spezialisierte Tierärtze weichen erheblich davon ab. So wurden mir von der Tierärztin meines Vertrauens 5 Gaben im Abstand von 3 Tagen empfohlen. Oxyuren-Eier im Gehege oder Terrarium gehen durch Schmierseife kaputt, jedoch nicht durch Desinfektionsmittel. Kontaminierte Wasserschalen und Bodenflächen kann man mit Seifenlauge säubern bzw. benetzen. Manche Tierärzte empfehlen, den Boden im Gehege abzutragen, was ziemlich realtitätsfern ist. Trotz vorbildlicher Hygiene wird man ein Frühbeet/ Außengehege niemals ganz oxyurenfrei bekommen. 

Febantel und Pyrantel 

(Welpan)

Milde Wirkung, aber wohl etwas stärker als Panacur. 

Wird von verantwortungsvollen Tierärzten abwechselnd mit Panacur verordnet, um Resistenzen vorzubeugen

Oxfendazol  

(Oxfenil, Dolthene)

Schnelle Wirkung: Würmer und Eier werden über einen Zeitraum von bis zu 12 Tagen tot ausgeschieden (5) 

Für gesunde Schildkröten geeignet, um im Wechsel mit Panacur oder Welpan Resistenzen vorzubeugen.

Pyrviniumembonat

(Molevac)

Schnellere Wirkung als Panacur und Welpan, was das Mittel allerdings für Schildkröten problematisch macht (Siehe unten)

Nur in der Humanmedizin zugelassen, daher keine Verordnung durch den Tierarzt. Rezeptfrei in der Apotheke erhältlich. Färbt den Kot rot.  

Ivermectin 

(Ivomec)

ACHTUNG! 

Das Mittel kann wegen seiner starken Wirkung für Schildkröten tödlich sein! Dennoch wird es von unwissenden Tierärzten mitunter verordnet. Von Todesfällen nach Verabreichung gibt es jedes Jahr Berichte in den Netzwerken (17 u.a.) 

Je schneller das Medikament wirkt, desto mehr Toxine bilden sich durch die Wurmleichen im Darm. Für geschwächte Tiere kann der Abbau der Toxine eine Belastung und sogar lebensgefährlich sein. 

Folgende Nebenwirkungen können bei häufigen Entwurmungen oder hohen Dosierungen einer chemischen Entwurmung auftreten:

• Veränderung der Darmflora, insbesondere Vermehrung von Ciliaten (12)
• innere Vergiftung
  
• Veränderung des Blutbilds
  
• Resistenzen

Unbestätigte Aussage eines Experten: Bei Ascariden sei das Medikament geringer zu dosieren als bei Oxyuren, denn diese müssten den Darm lebend verlassen. Tote Spulwürmer verbleiben im Darm.

Pflanzliche Mittel: 

In der Naturheilkunde werden geraspelte Möhre, Wurmlattich und/oder verschiedene Kräuter zur Wurmbekämpfung eingesetzt. 

Es ist bekannt, dass Säugetiere gezielt rauhe Blätter fressen, und mit deren Hilfe Würmer ausscheiden (19). Futterpflanzen mit besonders rauher Blattoberfläche sind neben dem Wurmlattich Helminthotheca echioides auch Bitterkraut Picris hieracoides, Habichtskraut Hieracium ssp, Wiesenpippau Crepis biennis Borretsch Borago officinalis und viele andere. Als Alleinheilmittel zur Bekämpfung eines akuten Wurmbefalls sind diese Pflanzen sicher nicht geeignet, aber zur Vorbeugung und Unterstützung leisten sie gute Dienste.

Viele Halter überzeugten sich von der Wirksamkeit einer "Möhrenpaste" , die im Schildkrötenforum.eu erstmalig vorgestellt wurde. Mitglieder des Forums haben das Rezept an ihren Schildkröten getestet und ihre Erfahrungen ausgetauscht. Bei der Menge an Öl wurde nachgebessert. Zu viel Öl verursacht Durchfall.

Kritiker bemängeln, dass es für dieses Mittel - wie für viele Naturheilmittel -  keine klinischen Studien gibt. Das macht es jedoch nicht automatisch unwirksam. Auch einige Personen, die der Paste zunächst zweifelnd gegenüber standen, waren überrascht, dass nach der Verabreichung massenweise Würmer mit dem Kot ausgeschieden wurden, sogar kurz nachdem eine Kotprobe von einem Labor negativ getestet wurde. Die Wirksamkeit ist durch Fotos belegt.