Menorca

15. - 22.09.2022


Im Gegensatz zu früheren Exkursionen habe ich dieses Mal keine konkreten Informationen über Fundorte von Schildkröten. So verbringe ich die ersten Tage damit, Busfahrer, Gärtner, Parkwächter, Reiseleiter und schließlich noch einen Ornithologen auszufragen. Auf Menorca hilft es sehr, wenn man Englisch und Spanisch kann. So kristallisieren sich schließlich einige Hotspots heraus.

Bei hochsommerlichen Temperaturen erwandere ich einige Etappen des "Cami de Cavall", einem Wanderweg, der rings um die Insel führt - die Augen am Boden, die Ohren gespitzt. Die Waden zerkratzt vom Dornengestrüpp, weil man bei gefühlten 30 Grad natürlich keine langen Hosen anzieht. Ich bin bewusst allein unterwegs und laufe täglich um die 10 Kilometer.

Am ersten Tag sehe ich eine Gruppe Spaziergänger ihre Handys auf den Boden richten. Eine winzige Schildkröte sitzt wie auf dem Präsentierteller am Rande eines frisch gepflügten Ackers. Begeistert beteilige ich mich an der Fotosession. Anschließend setze das Tierchen in ein nahes Gebüsch, wo es bald im Wurzelwerk verschwindet.

Merkwürdig: Als ich nach 6 Tagen noch einmal dort vorbei komme, schaut die kleine Schildkröte exakt an der selben Stelle unter dem Strauch hervor.



Abgesehen von dieser ersten Begegnung, gestaltet sich die Schildkrötensuche anders als gewohnt. Sie sind unsichtbar. Schon zuhause im eigenen Gehege ist es bekanntlich schwierig genug, versteckte Schildkröten zu finden. Hier scheint es völlig unmöglich. Alle weiteren Schildkröten habe ich nur mit den Ohren aufgespürt. Man lernt dieses typische Knistern am Boden zu unterscheiden von dem flinken wuseligen Rascheln der Eidechsen und den Geräuschen der riesigen Heuschrecken in den trockenen Blättern. Pro Wanderung finde ich auf diese Weise durchschnittlich 2-3 Schildkröten. Tief in Tunneln aus Dornengestrüpp, in Felshöhlen, oder unter meterhohem Gras hocken sie. Immer im Schatten, die Verstecke nach Norden ausgerichtet.


Dünenlandschaft im Osten:

Deutliche Hinweise: Laufspuren und herumliegende Eierschalen aus geplünderten Nestern. Hier wachsen keinerlei Futterpflanzen, nicht einmal trockene Blättchen. Der Ornithologe meinte, sie würden wohl Schnecken und Insekten fressen. Ganz abwegig ist das nicht. Schneckenhäuser liegen hier zu tausenden herum.





Ausflug in den Norden der Insel: 

Ich laufe durch Wälder aus Hartlaubgewächsen, Mastixsträuchern und Pinien. Der Boden ist sandig, bedeckt mit Piniennadeln. Auch hier keinerlei Futterpflanzen. Stundenlang sehe ich keine Schildkröte. Einigermaßen frustriert mache ich mich auf den Rückweg. Überraschung! Direkt neben meinen Füßen mitten im Wald am Rande eines Felsens sitzt plötzlich ein schönes Thh Weibchen - reglos und furchtsam. Es dauert ein paar Minuten bis sie die Nasenspitze heraus streckt. Ich setze mich auf einen Baumstamm und beobachte sie eine ganze Weile. Ein Stück Apfel und ein Stück Orange von meinem Proviant wird ignoriert. Fressen wird wohl total überbewertet. Vielleicht legen sie in Zeiten des Futtermangels einfach einen Schalter um und fasten.



Nicht weit von der Stelle finde ich später noch 2 Thh-Männchen. Dass es Männchen sind, erkennt man gleich an ihrer energischen Art. Sie wetzen schnell in eine Felshöhle nah am Boden, als ich mich nähere. Die Erde darin fühlte sich leicht feucht und ziemlich kühl an.




Etappe des Cami de Cavalls im Süden: Stacheliges Dickicht, bambusartiges Schilf, Steine, Sträucher, meterhohe Grasbüschel bestimmen die Landschaft. Als ersten Hinweis, dass ich mich in einem Schildkrötengebiet befinde, finde ich einen kleinen leeren Panzer, der beim Aufheben in Einzelteile zerfällt. 




Man hört Schildkröten rascheln, aber man hat keine Chance, sie zu sehen oder gar zu greifen. Ich gebe zu, eine habe ich aus einem Dornenstrauch herausgeangelt und sie von allen Seiten ruckzuck schnell fotografiert.


 






 

In den landwirtschaftlich genutzten Gebieten im Süden wachsen Futterpflanzen in erreichbarer Nähe. Gänsedisteln, Portulak, Hirschhornwegerich, Fingerkraut, Malve Opuntienfrüchte und vieles mehr.




Auf Menorca leben zwei Lokalformen von T.hermanni hermanni: H3 im Nordwesten und H5 im Süden. Einige Experten können sie anhand optischer Merkmale identifizieren. Mir gelingt es nicht. Für mich sehen sowohl die Tiere aus dem Norden als auch die aus dem Süden den Thh Mallorcas sehr ähnlich.



Für nächste Woche ist der erste Herbstregen angekündigt. Zeit für die Schlüpflinge ans Tageslicht zu kommen. Leider werde ich dieses Schauspiel nicht mehr erleben, denn dann ist mein Kurzurlaub bereits wieder beendet.



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