Reisebericht einer Exkursion nach Nordgriechenland

 

16.-23.04.2011

Schon lange hatte ich den Wunsch, Griechische Landschildkröten ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten. Zusammen mit drei  Mitgliedern unseres Schildkrötenstammtisches buchten wir eine Exkursion unter der Leitung von Bernd Pitzer. Link

 

Unsere erste Station ist der Kerkini Stausee im Norden Griechenlands nahe der Grenze zu Bulgarien. Unzählige Wasservögel nutzen diese einzigartige Landschaft als Brutstätte. Mit dem Fernglas beobachten wir Störche, verschiedene Reiherarten und die Brutkolonien des Rosa Pelikan. Auch Eidechsen und Nattern sind hier heimisch.

  

Das Grasland wird von Wasserbüffeln abgeweidet. Trotz der Einzigartigkeit der Landschaft erinnert die Vegetation an zu Hause: Gräser, Klee, Brennesseln, Klatschmohn, Hahnenfuß, Königskerze, Löwenzahngewächse, Disteln und Sträucher wie Weißdorn, Weiden und Holunder. Nur die rosa blühenden Tamarisken und die leuchtend gelbe Wolfsmilch bieten einen ungewohnten Anblick. In den Sommermonaten wird hier allerdings alles vertrocknet sein bis im Herbst noch einmal frisches Grün nachwächst.

  

 Einer der vielen Weißstörche von Kerkini sammelt Nistmaterial. Männliche Smaragdeidechse im Hochzeitsanzug.

 Während daheim die Sonne vom Himmel brät, ist es in Südeuropa dieses Jahr ungewöhnlich kühl. Bei einstelligen oder knapp zweistelligen Temperaturen, bekleidet mit Wollpullis und dicken Jacken, wagen wir kaum zu hoffen, dass wir Schildkröten zu Gesicht bekommen.

  

Jedoch wir haben die Kälteverträglichkeit der Tiere unterschätzt. Schon nach kurzer Zeit erblicken wir die erste Testudo hermanni boettgeri an der grasbewachsenen Böschung unter Brombeersträuchern. Weitere folgen. Ensprechend denTemperaturen verhalten sie sich ziemlich phlegmatisch. Es sind ausnahmslos adulte Tiere, soweit man erkennen kann hauptsächlich Männchen. Im Vergleich zu unseren eigenen Tieren sind sie eher klein, im Durchschnitt schätzungsweise 800g. Besonderheit: Die Schidanomalie des Thb-Männchens auf dem rechten Bild

Besuch der Station "O Aetos" von Bernd Pitzer

Das Projekt "O Aetos" hat sich den Schildkrötenschutz zur Aufgabe gemacht. Verletzte Schildkröten werden behandelt, aufgepäppelt und anschließend ausgewildert. Fast alle Verletzungen sind direkt oder indirekt zivilisationsbedingt: Auf neu gebauten Straßen und Autobahnen werden überfahrene Tiere aufgefunden, die mit Panzerbrüchen in die Station eingeliefert werden. Zu Verbrennungen kommt es, wenn Flächen für Landwirtschaft oder Tourismus brandgerodet werden. Weil der Lebensraum durch Hotelbauten in Strandnähe immer knapper wird, werden die Tiere förmlich von allen Seiten eingekesselt. Typische Paarungsverletzungen bei den Weibchen sind die Folge. Auch Bissverletzungen durch Hütehunde kommen vor. Oft jedoch kommt jede Hilfe zu spät. Unvorstellbar, wieviele Tiere beim Autobahnbau während der Winterstarre einfach einbetoniert wurden! Um Bestände zu retten, müssen gelegentlich Evakuierungsmaßnahmen durchgeführt werden, für die Bernd unter den Einheimischen nicht immer auf Verständnis stößt. Helfer und Unterstützung für das Projekt sind willkommen. Näheres unter dem obengenannten Link.

 

Gehege für die Patienten  im  "O Aetos" Schutzprojekt

 

verletzte Schildkröte (Hundebiss?)

 

Panzerverletzungen durch Flächenbrände

 

fast verheilte Paarungsverletzung. Man beachte die leichte Höckerung dieses Wildfangs.

 

Marginatas mit Panzerverletzungen auf dem Weg der Besserung

 

Geheilt entlassen! Die Thb wird an der Stelle ausgewildert, wo sie vor Jahren verletzt aufgefunden wurde.

 

Ausflug ins Pinios-Delta

Das Feuchtgebiet wird als Weide für Kühe und verwilderte Pferde genutzt. Auf dem mit unzähligen Schneckenhäusern bedeckten Sandboden finden wir vorwiegend kurzgefressenes Gras, Binsen und dornige Sträucher. Der majestätische weiße Affodill (Asphodelus aestivus) steht gerade in voller Blüte.

  

  

Unter ca. jedem zehnten der dornigen Sträucher sitzt eine Schildkröte, teilnahmslos aufgrund der niedrigen Temperaturen. Es ist deutlich zu auszumachen, dass Schildkröten Einzelgänger sind. Wir sehen adulte Männchen und Weibchen, aber keine Jungtiere.  Nicht alle Tiere sind vollständig glatt gewachsen, einige Panzer weisen leichte "Hügel" auf. Was die Wildtiere von unseren unterscheidet sind aber die sehr gleichmäßigen Wachstumsringe. Einige Weibchen haben ein Loch im Schwanzschild mittig über dem Schwanz. Es handelt sich um typische Paarungsverletzungen aufgrund starker Bevölkerungsdichte. Ob diese Löcher durch das Aufeinanderprallen bei der Paarung entstehen oder durch eine Entzündung der Kloakenregion ist noch nicht geklärt. 

Seltsam: Bei dieser Schildkröte aus dem Pinios-Delta fehlen die Ingunialschilde...

Endlich Sonne! Am Strand bei Alexandrini sammeln wir Sepiaschalen als Mitbringsel für unsere Schildkröten daheim.

 

  Auch Emys Orbicularis findet man in der Nähe

 

Tour ins Ossa-Gebirge

 

In der felsigen und kargen Landschaft fühlt sich die Testudo Marginata wohl. Das Gras wird von Schafen und Ziegen beweidet. kniehohe Dornensträucher, Thymian und vielfältige bunte Blumen prägen das Bild. Die erste Marginata lässt nicht lange auf sich warten. Sie tauchen einzeln oder zu zweit auf, sonnen sich oder weiden auf den Grasflächen. Insgesamt begegnen wir an einem Vormittag 12 ausgewachsenen Tieren.

 

 

 

Blütezeit der rosa Anemonen. Ein Pardies für Blumenfreunde...

 

Auf der Hochebene finden wir zwei leere Knochenpanzer. Vermutlich sind die Tiere ausgehungerten Hunden zum Opfer gefallen.

 

 

Wir befinden uns an der dem Meer zugewandten, feuchteren Seite des Ossa-Gebirges. Der Fahrer geht in die Bremsen. Paparazzi-Alarm! Ein Thb Pärchen kreuzt die Straße.

 

 

Wanderung in der Olymp-Region oberhalb von Litochoro

 

 

 

 

Schildkröten gibt es auf dieser Höhe nicht, dafür  kristallklare Flüsse,  wilde Tulpen, Ragwurz (Foto rechts) und Knabenkraut. Prozessionsspinner und andere seltsame Wesen.

 

eine wohlverdiente Stärkung...

Auf dem Rückflug mache ich die Bekanntschaft mit einem Pärchen aus Mazedonien. Sie lachen sich kaputt, dass es Menschen gibt, die weite Reisen machen, nur um Schildkröten zu beobachten. Bei ihnen zu Hause sind es Schädlinge, die bestenfalls für den Kochtopf taugen :-( Adressen werden ausgetauscht. Vielleicht unser nächstes Ziel?


 

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