Erfolgreich brüten Seit 1998 habe ich 11 mal Eier meiner T.hermanni boettgeri ausgebrütet - insgesamt 138 Schlüpflinge. Die Daten zur Inkubation und zur weiteren Entwicklung der Tiere habe notiert und ausgewertet. Da ich eine Reihe von Nachzuchten über 10 Jahre behalten habe, kann man verfolgen, wie sich die Tiere entwickelt haben. Damit die gesammelten Daten nicht in der Ecke verstauben wird es Zeit, euch an meinen Erfahrungen teil haben zu lassen.
a) Gesundheit ARTGERECHTE HALTUNG = GESUNDE ELTERTIERE = GESUNDE SCHLÜPFLINGE
Auch unter suboptimalen Bedingungen legen Schildkrötenweibchen befruchtete Eier, aus denen Nachzuchten schlüpfen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass bei zu kalter Haltung, schlechter Calciumversorgung, Stress durch zu viele Männchen oder zu wenig Platz überdurchschnittlich viele Embryonen absterben oder mit Missbildungen wie fehlenden Augen, einer Kiefer-Gaumenspalte oder einem fehlenden Schwänzchen zur Welt kommen. Die Gesundheit der Schildkröten und ihre Haltungsbedingungen stehen also in einem unmittelbaren Zusammenhang. Die Zahl der Missbildungen bei meinen Schildkröten halten sich gottseidank sehr in Grenzen. Unter insgesamt 138 Schlüpflingen gab es lediglich drei leichte Missbildungen: Zwei mal ein fehlendes Schwänzchen und ein mal eine Panzerdeformation. Schildanomalien gab es dagegen in den ersten Jahren viele. Bei meinem deformierten Weibchen „Amanda“ aus vormals schlechter Haltung ist die Rate der unbefruchteten Eier und abgestorbenen Schlüpflinge besonders hoch.
b) Auswahl der Eier ZWEITGELEGE AUSBRÜTEN! Über viele Jahre konnte ich feststellen, dass die Befruchtungsrate beim Erstegelege signifikant geringer war als beim Zweitgelege. Besonders bei „Lola“, einem Weibchen, das bereits Ende April ihr Erstgelege ablegt, ist das der Fall. Bei „Anna“, die spät aus der Winterstarre auftaucht und entsprechend spät legt, bringt das Erstgelege dagegen regelmäßig gute Schlupfergebnisse. Viele Züchter/Innen berichten allerdings, dass diese Frage keine Rolle spielt. Die Eier des Zweitgeleges sind in der Regel auch etwas größer und schwerer als die des Erstgeleges - wobei dies kein Qualitätsmerkmal sein muss. Das Dritt- oder gar Viertgelege ist dagegen wieder leichter. Für mich persönlich heißt die Schlussfolgerung: Zweitgelege ausbrüten! Dritt- und Viertgelege habe ich bisher nicht ausgebrütet.
c) Temperaturverlauf ANOMALIEN MÜSSEN NICHT SEIN Für manche Züchter sind Schildanomalien ein notwendige Begleiterscheinung, wenn man durch eine hohe Bruttemperatur einen hohen Weibchenanteil erzielen möchte. So steht es sogar in einigen Ratgebern geschrieben. Meine langjährigen Erfahrungen haben mir gezeigt, dass man bei einem entsprechenden Temperaturmanagement viele Weibchen erbrüten kann ohne eine größere Anzahl Anomalien in Kauf zu nehmen. Die Schilde werden schon in einem sehr frühen Stadium der Inkubation angelegt, während die Geschlechtsdetermination lt. U.Eggenschwieler und C.Pieau im zweiten Inkubationsdrittel stattfinden soll. Der "Trick" ist also die Temperatur zunächst niedrig zu halten und sie in der Phase der Geschlechtsdifferenzierung zu erhöhen. Leider kann niemand ganz genau vorhersagen, wann diese Phase eintritt und wie lange sie dauert. Es hängt nämlich davon ab, wie lange und wie schnell sich der millimeterkleine Embryo bereits entwickelt hat.
In der letzten Woche vor dem Schlupf senke ich die Tagestemperatur etwas und baue eine Nachtabsenkung ein, damit sich die Kleinen an das Klima in der Welt außerhalb des Ei gewöhnen. Denn schließlich sollen sie nach dem Schlupf möglichst schnell nach draußen bzw. ins Gewächshaus. Was nützt das beste Temperaturkonzept, wenn das Thermometer falsch anzeigt? Sehr wichtig ist ein genaues Thermometer, am besten ein spezielles Inkubatorthermometer. Handelsübliche digitale Thermometer zeigen oft nicht korrekt an, besonders wenn sie schon älter sind. Je älter das Thermometer desto größer die Abweichungen. Auf analoge Thermometer kann man sich dagegen recht gut verlassen.
d) Geduld WANN SIND SIE ENDLICH DA? Der Schlupf kann wenige Stunden oder auch 2 Tage und 2 Nächte betragen. Eingreifen aus Sorge um den kleinen Winzling ist gut gemeint, aber in den allermeisten Fällen kontraproduktiv. Schlüpflinge, denen man die Zeit gibt, die sie brauchen, haben einen komplett eingezogenen Dottersack. Die Bauchspalte schließt sich nach einigen Stunden komplett. Sie können wenige Stunden nach dem Schlupf nach draußen in die Aufzuchtstation. Sehr selten wird es Schlüpflinge mit einem angeborenen Defekt geben, die es aus eigener Kraft nicht aus dem Ei schaffen. Diese hätten in freier Wildbahn keine Chance Substrat VERGRABEN ODER NICHT?
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In Erde vergraben? Substratlos? Vermiculite? Die besten Resultate erziele ich mit der substratlosen Inkubation. Ich lege die Eier einfach zwischen die Noppen der Schaumstoffmatten, die zu dem Jäger-Inkubator 50-FB gehören. Erst kurz vor dem Schlupf, wenn das Ei schon angepickt ist, werden sie in ein kleines Gefäß umgebettet, in dem ein angefeuchtetes Stück Stoff oder Küchenpapier liegt. Der Inkubator wird selbstverständlich abgedunkelt. Mein Tipp ist daher: SUBSTRATLOS BRÜTEN! Das Vergraben der Eier in Erde oder einer Mischung aus Sand und Erde ist natürlich, hat aber Nachteile: Luftfeuchtigkeit und Temperatur sind weniger gut zu kontrollieren, da in der Erde abweichende Bedingungen herrschen. Die eigene Geduld wird auf eine harte Probe gestellt, da man die Eier nicht durchleuchten kann. Sollte die Kalkschale der Eier porös sein oder Risse bekommen, haben Keime leichter Zutritt. Während viele Halter dennoch gute Schlupfergebnisse mit dieser Methode erzielen, sind meine eigenen Erfahrungen mit dem Vergraben der Eier durchwachsen. 2010 machte ich ein Experiment. Ich brütete 3 Eier eines Geleges vergraben und drei Eier des selben Geleges legte ich offen in den Inkubator. Von den vergrabenen Eiern starben zwei Embryos ab, das dritte Krötchen hatte eine Panzerdeformation – eine Art Dromedar-Höcker – der im Laufe der Jahre größer wurde. Aus den drei offen inkubierten Eier schlüpften hübsche Babys ohne Anomalien. 2014 habe ich einen Teil der Eier in einer Erde-Sand-Mischung inkubiert. Die Schlüpflinge waren perfekt, allerdings war ein Männchen dabei, während sich aus den substratlos inkubierten Eiern alles Weibchen entwickelten. In den ersten unerfahrenen Jahren habe ich Vermiculite verwendet. Sehr oft kam es zu Rissen in den Eiern, sodass ich das Substrat für Landschildkröteneier nicht empfehlen würde. Thb mit angeborenem Dromedar Höcker . Brutgerät VIELE SIND GEEIGNET Alle Brüter, bei denen man die Temperatur regulieren kann, scheinen geeignet zu sein. Die Temperaturen in den mir bekannten Inkubatoren variieren um 0,5 - 1°C, je nachdem, ob die Heizung gerade angesprungen ist oder schon einige Zeit heizt.
Luftfeuchtigkeit BEINAHE EGAL Analoges und digitales Hygrometer Meiner Erfahrung nach spielt die Luftfeuchtigkeit keine große Rolle. Ich stelle ein Gefäß mit Wasser in den Inkubator, das langsam verdunstet. Die Luftfeuchtigkeit beträgt dabei zwischen 50 und 100%. Wenn einmal kein Wasser aufgefüllt wurde, wirkte sich das nicht negativ auf das Schlupfergebnis aus. Bei vergrabenen Eiern fühlt sich das Substrat sehr trocken an - trotz fast 100%-iger Luftfeuchtigkeit. Dennoch wirken die Schlüpflinge hier keineswegs ausgetrocknet.
Störungen während des Brutvorgangs EIER VON GUTER QUALITÄT VERTRAGEN VIEL Es existieren viele Mythen und Mysterien über die Empfindlichkeit von Schildkröteneiern. Nur wenige sind wahr. Eier können vor ihrer Überführung in den Brüter in der Legegrube belassen oder bei Raumtemperatur zwischengelagert werden. Nicht nur das, sie vertragen während dieser Zeit sogar Extremtemperaturen: Aus Eiern, die ich 2011 vor der Inkubation 14 Tage bei Temperaturen zwischen 5 und 45°C im Gewächshaus liegen hatte, schlüpften sogar besonders hübsche Babys, die sich prächtig entwickelten - siehe Bild unten.
Bevor die entsprechenden Temperaturen erreicht werden, dürfen die Eier gedreht werden. Auch danach sind die Eier unepfindlich gegen leichte Verlagerungen der Position, sollten aber nicht gerade auf den Kopf gedreht werden. Bei meinen ersten Versuchen mit der substratlosen Inkubation passierte es, dass im Brüter liegende Eier von den frisch geschlüpften Babys umgekugelt wurden. Es waren keine negativen Auswirkungen auf die Schlüpflinge festzustellen. Von einer Bekannten hörte ich die unglaubliche Geschichte, dass ein Kind sich ein Schildkrötenei aus dem Brüter nahm, ans Ohr hielt und kräftig durchschüttelte. Auch aus diesem Ei schlüpfte ein unversehrtes Junges. In manchen Jahren durchleuchtete ich jedes Ei mehrfach, in anderen Jahren überhaupt nicht. Auf das Schlupfergebnis hatte das Durchleuchten keinen Einfluss. Um die Eier durchleuchten zu können, müssen sie vorher gereinigt werden. Ob sie – wie Hühnereier – mit einer Bakterienhemmenden Schicht versehen sind, darüber gibt es noch keine Untersuchungen. Falls ja, ist es besser, die Eier unter fließendem Wasser abzuspülen als sie mit einem Tuch zu bearbeiten. So handhabe ich es auf Anraten meiner Tierärztin. © Gunda Meyer de Rojas Letztes Update 19.06.2020
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